Das war die Sommersession 2021

Der Rückblick unserer Bundeshausdelegation auf die Sommersession 2021.

Wir sind zurück aus der Sommersession, die geprägt war vom Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen und der Ablehnung des CO2-Gesetzes. Dass wir europa- und klimapolitisch vor einem Scherbenhaufen stehen, bewegt uns sehr. Trotzdem fand die Session einen erfreulichen Abschluss, weil wir einen grossen Erfolg für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung errungen haben. So wird es künftig verboten sein, dass internationale Konzerne Abstimmungskampagnen verdeckt finanzieren, wie dies die Öl-Lobby beim CO2-Gesetz gemacht hat.

Unnötige und teure Steuerprivilegien

Das Wichtigste Vorneweg. Mit der Schlussabstimmung am Freitagmorgen wurde es Tatsache: Die bürgerliche Mehrheit hat den ersten Schritt der Abschaffung der Stempelsteuer beschlossen – die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital. Das ist ein unsägliches Plündern der Staatskasse zugunsten von Grosskonzernen und Finanzunternehmen, die bereits heute von tiefen Steuern profitierten. Das ist leider nur der Anfang von vielen weiteren geplanten Steuersenkungsprojekten. Deshalb hat die SP Schweiz das Referendum ergriffen. Wer sich zusammen mit uns für das Referendum engagieren möchte, kann sich hier anmelden, wir brauchen jede Unterstützung!

AHV 21 – ein Affront gegenüber den Frauen

Eines der wichtigsten Geschäfte im Nationalrat war natürlich die AHV-Revision 21. Die Rentensituation von Hunderttausenden von Frauen in diesem Land ist absolut ungenügend: Jede vierte Frau hat im Pensionsalter nur die AHV; jede zehnte Frau muss direkt nach Erreichen des Pensionsalters Ergänzungsleistungen beziehen. Die Medianrente der Frauen liegt unter 3000 Franken. Das Problem für die schlechte Rentensituation von Frauen liegt nicht ausschliesslich in der AHV, sondern insbesondere in der zweiten Säule. Doch wie Mattea Meyer kritisierte, schiebt das Parlament die dringend notwendige Reform der 2. Säule auf die lange Bank und beschloss stattdessen – zwei Jahre nach dem Frauenstreik – ernsthaft einen Rentenabbau. Gegen die Stimmen von SP und Grünen hat der Nationalrat die Erhöhung des Frauenrentenalters ohne eine auch nur annähernd angemessene Entschädigung beschlossen. Als nächstes ist wieder der Ständerat am Zug. Aber die Chancen für eine echte Verbesserung der AHV 21 sind leider gering.

Dreipunkteplan für ein fortschrittliches Familienrecht

Das Bundesgerichtsurteil zu Scheidungen und nachehelichem Unterhalt sorgte für grosses Interesse. Dort wurde unter anderem entschieden, dass auch Personen, die über 45 Jahre alt und im Rahmen der Ehe nicht erwerbstätig sind, künftig eine Erwerbsarbeit zuzumuten ist. Dabei orientiert sich das Bundesgericht nicht mehr am traditionellen Familienbild, sondern an moderneren gleichgestellteren Modellen. Das Problem ist, dass diese Gleichstellung in weiten Teilen nicht gegeben ist. Zudem könnte dies zu Härtefällen führen bei Frauen, die unter ganz anderen Voraussetzungen eine Ehe und eine entsprechende Arbeitsteilung eingegangen sind. Die Gleichstellung sollte nicht zum Zeitpunkt der Scheidung beginnen, sondern schon zuvor. Dazu braucht es nach Ansicht der SP-Fraktion entsprechende Investitionen in die Kinderbetreuung und eine wirksame Bekämpfung der Familienarmut. Weiter soll geprüft werden, wie das Familienrecht modernisiert werden kann. Dazu hat die SP-Fraktion unter Leitung von Min Li Marti einen 3-Punkte-Plan erarbeitet. Dieser wurde im Tages-Anzeiger vorgestellt.

Wie weiter mit der Schweiz in Europa?

Nach dem verantwortungslosen Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen Schweiz-EU durch den Bundesrat fand im Nationalrat in der dritten Sessionswoche eine ausserordentliche Debatte zur Europa-Politik statt. Für uns ist klar: Wir wollen die guten Beziehungen zu unseren Nachbarn fortführen und ausbauen! Mit dem Entscheid der Regierung werden die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union aber langsam erodieren. Cédric Wermuth und Roger Nordmann skizzierten in der Debatte, wie die nächsten konkreten Schritte aus Sicht der SP jetzt aussehen müssen:

 

  1. Die Schweiz muss den Kohäsionsbeitrag so rasch als möglich freigeben und erhöhen. Damit würde die Schweiz endlich wieder einen bescheidenen Beitrag zur europäischen Integration leisten.
  2. Es braucht eine Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit auf europäisches Niveau. Dadurch könnten bestehende Diskriminierungen beseitigt und die sozialen Rechte der migrantischen Bevölkerung in der Schweiz gestärkt werden.
  3. Über konkrete Kooperationsprojekte im Bereich Forschung, Bildung, Klimaschutz und Steuern soll die Zusammenarbeit dort gestärkt werden, wo ein gemeinsames Interesse besteht.
  4. Es braucht eine ergebnisoffene Diskussion über die demokratische Souveränität unseres Landes in Europa. Heute ist die Schweiz faktisch Passivmitglied in der EU und muss in vielen Bereichen europäisches Recht übernehmen, ohne mitbestimmen zu können. Hier müssen alle Optionen auf den Tisch. Für uns ist der EU-Beitritt jetzt wieder eine attraktive Option. Fabian Molina hat dazu eine Motion eingereicht.

Strafrahmenharmonisierung

Die Strafrahmen bei einzelnen Delikten, die in den letzten Jahren angepasst worden sind, harmonieren heute untereinander nicht mehr. Das Ziel der Strafrahmenharmonisierung ist, dass man die Logik des Systems verbessert und gleich Schlimmes gleich stark bestraft. Zum Beispiel sollte Rasen nicht stärker bestraft werden als eine Körperverletzung. Zudem sollen Gewalt und Drohungen gegen Beamte härter bestraft werden. Das Sexualstrafrecht wurde bei dieser Revision ausgegliedert und wird später behandelt. Die SVP nahm diese Revision zum Anlass, massive Verschärfungen zu verlangen und drang dabei nicht durch. Härtere Strafen allein sind nicht zwingend zielführend: Wichtig ist vor allem, dass Täter:innen nicht wieder straffällig werden. Unser System ist hier viel erfolgreicher als beispielweise die USA, die auf sehr harte Strafen setzt, wie dies Min Li Marti in ihrem Votum ausführte.

Korrekturinitiative: Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer

Bislang obliegt es dem Bundesrat Regelungen zum Schweizer Waffenexport zu erlassen. Dies will eine Volksinitiative ändern. Eine Allianz von Parteien und Hilfswerken fordert mit der «Korrekturinitiative» auf Verfassungsebene ein Waffenexportverbot in Länder, in denen die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden, sowie die explizite Feststellung, dass Kriegsmaterial nur noch in demokratische Staaten exportiert werden darf. Daniel Jositsch kämpfte im Ständerat erfolgreich für einen wirksamen Gegenvorschlag. Der Bundesrat wollte mit einem gesetzgeberischen Schelmenstreich die Vorlage wirkungslos machen, wie Daniel Jositsch aufzeigte. Der Ständerat lehnte dies erfreulicherweise ab. Nun ist der Nationalrat am Zug. Bleibt es bei der Lösung des Ständerats, steht einem Rückzug der Volksinitiative nichts im Wege.

Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug

Beim Familiennachzug in die Schweiz sind seit Jahren Schweizer:innen schlechter gestellt als EU-Bürger:innen. So darf die betagte Mutter einer Schweizerin nicht in unser Land kommen und hier leben, auch wenn für den Unterhalt und die Wohnung gesorgt wird. Wäre die Tochter jedoch eine EU-Bürgerin, dürfte die Mutter oder der 19-jährige Sohn in die Schweiz kommen. Diese Inländer:innendiskriminierung wurde bereits 2009 vom Bundesgericht moniert und das Parlament zum Handeln aufgefordert. Ein erster Versuch aus der SP-Fraktion scheiterte vor zehn Jahren. In dieser Session hat der Nationalrat endlich die Parlamentarische Initiative von Angelo Barrile deutlich angenommen (Votum von Angelo Barrile).

Last but not least: endlich Transparenz in der Politikfinanzierung

Eine grosse Freude ist hingegen die Annahme des Gegenvorschlags zur Transparenzinitiative. Es hat lange gedauert, aber endlich bringen wir Licht ins Dunkel der nationalen Politikfinanzierung: In Zukunft werden Politiker:innen, Parteien und Kampagnen jede Spende über 15’000.- Franken öffentlich machen müssen. Spenden aus dem Ausland sind zukünftig verboten. Das ist ein historischer Erfolg und ein Meilenstein in der Schweizer Politgeschichte (Votum Céline Widmer).